Im Vorwort ihrer beeindruckenden, im AvivA-Verlag erschienenen Kabarettistinnengeschichte, betont die Autorin Iris Schürmann-Mock, dass heute auch im Kabarett die Strukturen immer noch patriarchalisch seien. Das Aussehen z.B. bleibe ein wichtiges Auswahlkriterium, wenn Frau überhaupt wahrgenommen werden wolle. Die „Erotikhürde“ nennt das die mittlerweile zu neuem Bekanntheitsgrad aufgestiegene Komikerin Maren Kroymann, die von Schürmann-Mock in Frauen sind komisch ebenso porträtiert wird, wie weniger bekannte Künstlerinnen des frühen zwanzigsten Jahrhunderts; etwa Marya Delvard. Die Zeit prägt dabei den Stil und immer sind ihr die Künstlerinnen mit ihrer politischen Botschaft ein Stück voraus, werden von ihr ins Exil verbannt, wie Erika Mann, oder (noch) als Anhängsel großer männlicher Künstler wahrgenommen, wie Liesl Karlstadt. Diese spielt viele Jahre im Duo mit ihrem Partner Carl Valentin, mit dem sie gleichberechtigt 1915 das Kabarett Wien-München leitet. Sie hat einen großen Anteil am Programm, dennoch gilt Valentin als der „geniale Kopf“, sie selbst als „die Ausführende“. Carl Valentin ist bis heute im kulturellen Gedächtnis vertreten, an Liesl Karlstadt erinnern sich nur wenige.
Bei der Lektüre der Porträts fällt auf, dass die frühen Komikerinnen der 20er und später der 50er Jahre, oft von Männern entdeckt werden mussten. Ihnen kann zugute gerechnet werden, dass sie das komische Talent bei den Frauen entdeckten. So geht es auch der Schauspielerin Helen Vita, auf die Bertold Brecht aufmerksam wird, nachdem er sie in Zürich auf der Bühne seines Stücks Herr Puntila und sein Knecht Matti gesehen hat. Er rät ihr begeistert:
Machen Sie zwei Jahre lang Kabarett. Sie sind ein verkapptes komisches Talent.
Lachen ist nicht allein Männersache und so richtig diese Formulierung der Autorin ist, so deutlich wird in ihren Porträts, wie schwierig es für Kabarettistinnen ist, sich mit ihren eigenen Themen durchzusetzen. So muss sich die 1955 geborene Komikerin Gerburg Jahnke vom männlichen Publikum immer wieder anhören, ihre Texte seien nicht politisch. Das klassische, männliche Kabarett kann nicht akzeptieren, dass die Lebenswelt der Frau eine andere ist, als die privilegierte Welt des „Hausherrn“ der 50er Jahre. Jahnke beschreibt das Private als Teil des Politischen und betont:
Das alltägliche Frauenleben, das war unsere Politik.
Maren Kroymann war ihrer Zeit aus feministischer Perspektive jahrzehntelang voraus und wurde jetzt glücklicherweise von ihr eingeholt. So viel Durchhaltevermögen hat nicht jede. Zwar hatte sie als eine der wenigen Kabarettistinnen in den 80ern mit Nachtschwester Kroymann ihre eigene Satiresendung, trotz guter Quoten wurde sie 1987 nach fünf Jahren abgesetzt, weil die Themen, wie u.a. Sexismus am Arbeitsplatz, dem Sender als zu heikel erschienen.
Heute ist die über 70-Jährige mehrfache Grimme-Preisträgerin; ihre Sendung Kroymann wird seit 2017 im Ersten ausgestrahlt. Ein später Erfolg, mit dem die Künstlerin nicht mehr gerechnet hat.
Mit Carolin Kebekus enden die Porträts. Sie ist eine der hierzulande beliebtesten Künstlerinnen. Doch sie erntet nicht nur Anerkennung für ihre Gesellschaftskritik. Wer im Rampenlicht steht und seine Meinung sagt, muss sich wappnen gegen Anfeindungen und böse Kommentare vor allem aus den sozialen Netzwerken. Als „linksversiffte Nutte“ wird Kebekus beschimpft. Für ihre Kritik an Rassismus, Anti-Feminismus und nicht zuletzt an der katholischen Kirche, wird sie angefeindet. Doch Kebekus hat nichts gegen Shitstorms, sondern sie nutzt sie selbstbewusst, um ihre Gegenöffentlichkeit zu etablieren. Junge Frauen, so erzählt sie stolz, sehen in ihr ein Vorbild, eine Stimme, die frauenfeindliche Einstellungen hinterfragt, die sich unter jungen Teenagern gerade wieder verfestigen.
Frauen sind komisch besticht durch seine Vielfalt unterschiedlichster Künstlerinnenwirklichkeiten, deren Lebensgeschichte Iris Schürmann-Mock spannend und berührend erzählt. Das Künstlerinnenleben in den 20er Jahren wird den Leser:innen ebenso nahegebracht, wie deren politischer Aktionismus gegen nationalsozialistische Propaganda oder frauenfeindliche Strukturen in der biederen Nachkriegszeit. Auch ostdeutsche Erfahrungen, wie die der „bekennenden Preußin“ Barbara Kuster, sind erfeulicherweise vertreten.
Ein Glossar zählt, mit knappen Erläuterungen, weitere sechzig Künstlerinnen aus hundertzwanzig Jahren auf. Mit dabei ist auch die politisch umstrittene „Kunstfigur“ Lisa Eckhart, die besser durch die leider nicht aufgeführte Idil Baydar, deren Eltern türkische Gastarbeiter sind, ersetzt worden wäre. Das deutsche, weibliche Kabarett ist inzwischen vielfältiger als wir denken und es sollten vor allem die Stimmen gegen Rassismus, Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit stark gemacht werden.